Vorsicht: 20-Stunden-Regelung bei Minijobs wird geprüft

Ob in der Gastronomie, im Baugewerbe oder im Garten- und Landschaftsbau – in diesen und anderen Branchen ist der Einsatz der Mitarbeiter im Voraus nicht immer planbar. Daher greifen Arbeitgeber gerne auf Minijobber zurück, die ihnen „auf Abruf“ zur Verfügung stehen. Für diese Minijobs gibt es seit dem 1. Januar 2019 eine wichtige Neuregelung: Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gelten 20 Stunden pro Woche als vereinbart (§ 12 Abs. 1 TzBfG). Bislang galten nur zehn Stunden als vereinbart.

Das heißt: Bei der so genannten „Arbeit auf Abruf“ werden nun 20 Wochenstunden als ausgemacht angesehen, wenn keine ausdrücklichen – schriftlichen – Regelungen zur Arbeitszeit existieren. Bei einem Mindestlohn von 9,19 EUR ist die Grenze für Minijobs von 450 EUR damit stets überschritten und die Beschäftigung wäre sozialversicherungspflichtig.

Derzeit geht die Fachpresse davon aus, dass von der Neuregelung nicht nur die eingangs genannten typischen Fälle (Gastronomie etc.) der Arbeit auf Abruf betroffen sind, sondern im Prinzip alle Fälle, in denen keine schriftlichen Vereinbarungen zur Arbeitszeit bestehen. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn die Anzahl der geleisteten Stunden oder das Gehalt gleich bleiben.

Bislang bestand auf Seiten der Arbeitgeber ein wenig Hoffnung, dass es bei den Minijobs schon nicht so schlimm kommen wird. Aber: Der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit haben am 21.3.2019 beschlossen, die neue Regelung „anzuwenden“. Was bleibt ihnen auch anderes übrig?

In ihrem Besprechungsergebnis heißt es unmissverständlich: Der auf Basis dieser fiktiven Wochenarbeitszeit bestehende Entgeltanspruch des Arbeitnehmers ist unabhängig davon zu berücksichtigen, ob in diesem Umfang tatsächlich Arbeit geleistet oder vergütet wurde. Angesichts der Erhöhung der Wochenstundengrenze werden – selbst unter Zugrundelegung lediglich des Mindestlohns – die Grenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der Regel überschritten.

Somit können Arbeitnehmer mit entsprechenden Abrufarbeitsverhältnissen ohne Festlegung der Arbeitszeit nicht (mehr) geringfügig entlohnt beschäftigt sein (Niederschrift über die Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 21.03.2019, Punkt 4.).

Leider lässt der Beschluss nicht erkennen, wann denn nun konkret von einer „Arbeit auf Abruf“ auszugehen ist. Daher muss wohl befürchtet werden, dass die Prüfer der Sozialversicherung in allen Fällen die 20 Wochenstunden unterstellen werden, in denen keine schriftlichen Vereinbarungen zur Arbeitszeit bestehen und die Stundenzahl oder das Gehalt schwanken – man spricht insoweit auch von einem „Phantomlohn.“

Auch bei geringfügig Beschäftigten empfiehlt es sich also, die wöchentlich zu erbringende Arbeitszeit schriftlich zu fixieren, da sonst immer 20 Wochenstunden als vereinbart gelten und die dafür fälligen Sozialbeiträge zu entrichten wären. Selbstverständlich muss abgewogen werden, ob die damit gegebenenfalls für den Arbeitgeber einhergehenden weiteren Verpflichtungen hingenommen werden sollen. Helfen eventuell die Vereinbarung einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit weiter? Antwort: nur bedingt. Hier ist nämlich Absatz 2 des § 12 TzBfG zu beachten. Danach gilt:

  • Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen.
  • Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.2.2012 (10 AZR 111/11) entschieden, dass die Arbeitsvertragsparteien nicht „gezwungen“ sind, ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Stattdessen können sie eine Rahmenvereinbarung und anschließend jeweils – befristete- Einzelarbeitsverträge abschließen. Auch der Arbeitnehmer könne ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren.

Diese Konstruktion könnte also zumindest in bestimmten Fällen weiterhelfen, sollte aber mit einem arbeitsrechtlich versierten Juristen besprochen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung eines (Jahres-)Arbeitszeitkontos. Dieses ist auch für geringfügig Beschäftigte zulässig und ermöglicht, dass ein Minijobber – bei gleichbleibendem monatlichen Arbeitsentgelt – je nach Bedarf unterschiedlich viele Stunden pro Monat arbeitet. Zu Einzelheiten siehe: Arbeitszeitkonten für Minijobs(Information der Knappschaft Bahn See).

 

Der Grund der Gesetzesänderung ist durchaus verständlich, da Arbeitnehmer mehr Sicherheit bezüglich ihrer Arbeitszeit und damit auch ihres Lohns erlangen sollen. Für Arbeitgeber ist sie aber nur schwer umsetzbar. Ein schwacher Trost ist lediglich die Regelung zu kurzfristigen Beschäftigungen, wonach keine Sozialabgaben anfallen, wenn die Beschäftigung von vornherein auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres begrenzt ist. Sie darf zudem nicht berufsmäßig ausgeübt werden, falls das Entgelt über 450 EUR im Monat liegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).